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LITERATURBLOG

Den Schreibfluss finden (5)

Ich bin für den Herbst noch nicht bereit, deshalb setze ich mich, so oft die Sonne scheint, in das kleine Parkcafé, das tapfer seine Jalousien offen hält, selbst wenn nur wenige Besucher*innen kommen. Heute sitze ich wieder einmal zwischen Müttern, Pärchen und Hundefreund*innen dort. Die Sonne scheint milchig in unsere hungrigen Gesichter. Ein niedlicher, brauner Zwergdackel – mein Opa hätte ihn „Taschenrechner“ genannt – springt nach einem roten Ball. Ein kleiner Junge jagt vor seiner Mutter einem grünen Ball hinterher.

Als mein Sohn gerade erst wenige Monate alt war, kaute er an den Lederpantoffeln von Bob. Der freute sich riesig und sagte, dass unser kleines Baby so viel Unsinn mache, wie der Corgiwelpe damals in seiner Kindheit in Wales.

Mit meinem kleinen Sohn, der zwischendurch auch einem Äffchen ähnelte, fühlte ich mich sehr glücklich und auch sehr gefordert. Mir war gar nicht danach, mich künstlerisch auszudrücken, viel lieber strickte ich an einem Strampler für ihn und an einem Pullover für mich, um unserem archaischen Bedürfnis nach menschlicher Wärme – gespeichert in Schafwollfett – Genüge zu tun. Bob war häufig nicht da, hatte mit sich zu tun, hatte mit seinem Job zu tun, und ich hatte das Gefühl, dass ich selber jemanden brauchte, der mich in den Arm nimmt, mich wiegt, mir den Rücken stärkt, mich tröstet. Das ist das Coming Out als Mutter. Ich war jetzt eine Mutter. Ich war erschöpft, übernächtigt und viel allein und meine Lage war so, dass ich, um all das geben zu können, was ich mein Söhnlein von mir brauchte, selber jemanden gebraucht hätte, der mir wie eine Mutter ist: immer für mich da, immer voller Liebe und guter Ideen. Zum Glück halfen Bob, meine Mutter und mein Vater, aber es gab eine Zeit, da ich mich schrecklich allein fühlte, vor Allem innerlich. Alle Kraft ging an mein Kind und ich dachte, dass ich vielleicht nie mehr Ideen für irgendeine Installation oder auch nur kleine Geschichten haben werde. Je größer mein Söhnlein wurde und je seltener es schrie, je mehr es schon mit einem dreiviertel Jahr „Mama“, „Auto“ und „Ballo“ sagen konnte, desto besser ging es mir. Ich fühlte mich durch den Gott, den ich seit meiner Kindheit durch meinen Vater kannte, gestützt und wandte mich in meinen Gedanken auch mehr und mehr Maria zu, obwohl ich mit ihr nicht aufgewachsen war, und den Schutzengeln. Das half, jetzt war genug mythisches Personal zugegen, um mich zu stützen. Und doch blieb immer noch die Frage: wie sollte ich wieder in die Kunst einsteigen? Eine sehr große Hilfe war mir dabei das Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Sie empfiehlt, den kreativen Fluss und den Ideenstrudel im Inneren in Gang zu setzen durch regelmäßiges Tagebuch schreiben (mindestens drei Morgenseiten, ohne zu zögern und nachzudenken) und ausgiebige Spaziergänge.

Spazieren gingen mein Söhnlein und ich reichlich. So fehlte mir nur noch, in einer ruhigen Minute ein wenig Tagebuch zu schreiben. Und auch das ließ sich bewerkstelligen, ich tat es immer abends, wenn mein Baby schlief. Und wenn auch zunächst noch keine Ideen aus dem unerschöpflichen, göttlichen Brunnen in mir flossen, so nahm ich mir doch ein paar Mama & Sohn-Fotos aus der Kiste und zeichnete diese mit Bleistift ab. Ich fühlte mich sehr gut dabei. Der Schritt in das Reich der Ideen und Imaginationen war getan. Ich konnte mich wieder meinem Inneren anschließen und aus ihm schöpfen.

Hier mein Schreibtipp für Dich: Gewöhne Dir an, immer morgens oder immer abends, zu einer Zeit also, die für Dich passend erscheint, Tagebuch zu schreiben, mindestens drei Seiten. Du möchtest Seiten füllen, ganz für Dich, du möchtest Alles niederschreiben, was Dir in den Sinn kommt, ohne zu zensieren. Du behältst diese Seiten, dieses Tagebuch erst einmal für Dich und zeigst es niemandem. Es ist Dein Schatz. Es soll zunächst nur dazu dienen, Dich an Dein eigenes Inneres anzuschließen und in Fluss zu kommen.

Dann beobachte Dich: treten Veränderungen ein, fühlst Du Dich verführt, eine Geschichte zu schreiben, oder einen Song zu komponieren? In jedem Fall wird dieses einfache Tagebuchschreiben langfristig Dein Leben verändern, denn Du wirst wachsamer und Du bist im Fluss.

Folge den Tag über kleinen Impulsen und Ideen. Schreibe sie in Dein Ideenheft und wenn Du Lust hast, arbeite sie aus. Aber auch erst mal nur sammeln ist gut. Schreibe immer das Datum und ein wichtiges Schlagwort rechts oben an den Rand, damit Du Dich in Deinem Ideenbuch jederzeit gut zurecht findest!