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Die wa(h)re Illusion (36)

Ich habe seit jeher einen Spleen für heruntergekommene, alte Gebäude gehabt, mit blätterndem Putz, knarrenden, in Ochsenrot gestrichenen Dielen und den doppelten Fenstern mit Messinggriff, durch die leise der Wind pfeift. Ich mochte immer sehr die leise Traurigkeit darin. Jetzt frage ich mich, ob sich in mir etwas geändert hat, denn ich war neulich zu…

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Poetische Sprache, einfach und archaisch (35)

Ewig und strahlend zieht über die dunkle Erde der Himmel dahin Ich spüre diese verrückte und harte Erde In meiner Brust knirschen Glasmurmeln, Schnee fliegt Von nichts anderem als unsrem Schlaf durchdrungen Lieg ich verwundert in dieser Arena unter dem Himmel Kein Sand, der die Gräber je überwächst. Ich verliere ein paar worte. Nicht nennenswert.…

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Der Personenbriefumschlag (34)

Wenn wir uns in jemanden verlieben, dann gehen wir als richtige Künstler zu Werke und projizieren mit Verve wunderbare Eigenschaften in das Objekt unserer Liebe hinein. Der Angebetete ist dann sofort unglaublich witzig, unglaublich charmant, hat all das, was wir nicht haben und sieht überirdisch gut aus. Es ist auch kein Wunder, dass die Liebe…

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Die Sieben Geheimnisse der Liebe zu einer Figur (33)

Als ich eines Abends feststellte, dass ich mich überhaupt nicht dazu bringen konnte, den Riesenberg an Abwasch zu erledigen und die Wohnung zu fegen, kam mir in den Sinn, wie schön es wäre, jemanden zur Hilfe zu haben. Da ich zu jener Zeit viel Tschechow las, trat Servil vor mein inneres Auge, ein betagter, russischer…

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Dialoge: Den Ball in der Luft halten (32)

Als vor ein paar Jahren noch die in Tegel anlandenden Flugzeuge die Angewohnheit hatten, so tief zu fliegen, dass wir es für gewöhnlich nur unter Mühen schafften, laut genug zu reden, um unsere Gespräche nicht wegen des Fluglärms unterbrechen zu müssen, war das auch die Zeit, in der es absolut unmöglich war, den Gesprächen unserer…

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Impressionismus (31)

Neulich besuchte ich eine befreundete Künstlerin, die mit ihrem neunjährigen Sohn in einem 50er-Jahre- Genossenschaftsbau in drei knapp zugeschnittenen Zimmern lebt. Sie übernachtet zur Zeit häufig gemeinsam mit ihrem Kind im Garten und hält sich nur noch selten zuhause auf. Die Wohnung gefiel mir plötzlich um Einiges besser, als bei meinem letzten Besuch im Winter.…

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Der Pantheon der Musen in Dir oder Nahrung für die Seele (30)

Es kann leicht einmal passieren, dass Du das Gefühl hast, die Musen haben Dir den Rücken gekehrt, sie kümmern sich nicht mehr um Dich, denn das Schreiben macht Dir keinen Spaß mehr. Du wunderst Dich: das Schreiben war immer Deine Lieblingsbeschäftigung, Dein Hafen, Dein Jungbrunnen. Wenn Du so empfindest, dann ist es höchste Zeit, dass…

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Rosen und Jugend oder der Brieferausch (29)

Meine Cousine Bianca aus Berlin habe ich in der Kindheit nur selten sehen können. Einmal aber haben unsere Eltern es geschafft, unser beider Ferien (die damals noch DDR-weit auf denselben 8 Wochen lagen) so zu planen, dass wir gemeinsam zu meiner Oma auf’s Dorf zur Erholung fahren konnten. Wir genossen das Landleben, gingen in den…

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Dicke Gazevorhänge oder das Bonding mit der Hauptfigur (28)

Ich schaue aus dem Fenster in den Garten. Die Tulpen halten ihre Kelche scheu geschlossen, denn soeben hat es geregnet. Eine kleine Kohlmeise macht Betrieb, sie fliegt hierhin und dorthin, um alles Getier im Garten dazu aufzufordern, das Erwachen nach dem Regen zu feiern. Brigitta von gegenüber hat ihre Jalousien hochgezogen. Ihr an die hundert…