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LITERATURBLOG

Schriftstellerin ohne Katze (18)

Kürzlich habe ich überlegt, ob es nicht eine gute Idee wäre, mal etwas anderes als Liebesgeschichten zu schreiben. Das liegt daran, dass ich fast schon vollständig dem Klischee einer Schriftstellerin mittleren Alters entspreche: Ich bin übergewichtig, schreibe Liebesgeschichten und rede Yogapolster und Sofakissen mit freundlichen Kosenamen an. Weil das Liebesleben meiner Figuren so reich und lebendig ist, dass sie ein Ersatzleben für mich leben, lässt mein amouröses Treiben seit einiger Zeit zu wünschen übrig. Kein Wunder, wo doch der Hergang meiner Geschichten von Anfang bis Ende in meinen Händen liegt – ein Vorteil, der die Lebenswirklichkeit eines Singles in Berlin jederzeit übertrumpft. Das führt dazu, dass ich immer weniger motiviert bin, mich nach einem eigenen Leben umzuschauen. Wie sollte das auch konkurrieren können mit meinen eigenen Geschichten, die natürlich vorzugsweise ein Happy End haben und in denen sich rund um die Protagonistinnen gerne mehrere Verehrer tummeln.

Das muss Krimischriftstellerinnen anders ergehen. Sie killen schwierige Liebhaber und ätzende Mitbewohner mit einem kurzen Klicken ihrer Tastaturen. Gewiss sind sie deswegen zu ihrem Partner (einem fürsorglichen, übergewichtigen Teddytypen) unglaublich lieb und unaggressiv und deswegen schon seit Jahren mit ihm unglaublich glücklich. Kein Wunder, schließlich leben sie in ihren Büchern alles aus, was das Leben an menschlichen Abgründen so zu bieten hat.

Um also das Bild der übergewichtigen Schriftstellerin mit mangelhaftem Liebesleben vollständig zu machen, fehlt nur noch eine Handvoll Katzen, die faul und selig auf den frisch geschriebenen Seiten lagert. Aber ich habe Kinder, und die sind inzwischen in einem Alter, in dem ich mich gut mit ihnen unterhalten kann. So fehlt mir die Gesellschaft Erwachsener viel weniger als früher und auch die möglicher Katzen. Auch das Verweilen auf Onlinedating-Plattformen ist nicht sehr vielversprechend. Wenn ich so ein Anschreiben an einen Mr. Vollkommen Unbekannt verfasse, ist das bei einer Schriftstellerin immer ein literarischer Akt und wird meistens nicht genug gewürdigt. Im Gegenteil, Freundinnen empfehlen, nicht zu ausufernd zu werden in meinem Eröffnungstext, denn das wird als aufdringlich empfunden und dämpft den männlichen Jagdinstinkt.

Die Exfreundin meines Ex redet mir sogar von einem Punkteschema: Du hältst Dich für eine Sieben, bist aber nur eine Drei und suchst deshalb vergeblich nach Männern, die mindestens eine Acht oder Neun sind, obwohl Du, bei Lichte betrachtet, Deine Erwartungen herunterschrauben solltest. Punkte und eine gewisse Wertigkeit gewinnst Du durch ein gutes Einkommen, ein gutes Aussehen, Jugend, Intelligenz, Witz und Fitness. Du siehst Dich dabei selber vielleicht als völlig normal an oder sogar ziemlich prima, ziemlich okay oder sogar großartig. Andere vermögen das aber nicht so zu sehen, für die ist es schon ein rotes Tuch, wenn jemand nicht dreimal die Woche joggen geht, oder wenn er sich einen gemeinsamen Urlaub auf Bali nicht leisten kann. Die Plattformen sind mit Singles deshalb so voll, erklärt sie, und sie muss es wissen, denn sie hat Psychologie studiert, weil sie alle die Latte sehr hoch ansetzen und immer hoffen, jemand noch besseren, noch schöneren und noch reicheren zu treffen. Ich habe das am Anfang gar nicht begriffen, ich dachte, Liebe sei etwas sehr Romantisches, bei dem zwei sich ineinander vergucken und überhaupt nicht darüber nachdenken, ob sie einander würdig sind. Denn als Liebesromanautorin gehe ich davon aus, dass gerade dies die interessanten Liebesgeschichten sind, in denen jede mögliche Hierarchie zwischen den Liebenden aufgehoben ist. In denen ein Mensch plötzlich für den anderen zu leuchten beginnt und beide kaum wissen, warum.

Wenn Du eine Liebesgeschichte schreibst, dann versuche, darauf zu achten, dass die Hierarchie zwischen den Liebenden möglichst überwunden wird. In Hollywoodfilmen sind bei Paaren gerne die Männer etwas weniger hübsch, als die Frauen, gerne etwas bodenständiger und gerne etwas älter, denn das gibt uns mit unserer patriarchalen Alltagsbildung das Gefühl, dass die Welt im Lot ist.

Und hier kommt, wenn Du möchtest, Deine Schreibaufgabe: Wähle ein Liebespaar aus einem Deiner Lieblingsfilme aus, bei dem Du das Gefühl hast, die beiden haben unterschiedlich viel in die Waagschale zu werfen. Tausche ihre Eigenschaften: die Frau ist jetzt z.B. etwas älter, erlaubt sich Eskapaden, der Mann ist meistens zuhause. Er widmet sich mit unglaublichem Enthusiasmus der vielen Hausarbeit und sieht trotz des vielen Stresses mit den Kindern immer noch jung und sexy aus. Wirf die Filmnamen über Bord und gib Deinen Figuren neue Namen! Skizziere jetzt unter dieser Prämisse einen Plot für eine Kurzgeschichte oder schreib einfach drauflos und sieh, was dabei herauskommt!