Kürzlich habe ich überlegt, ob es nicht eine gute Idee wäre, mal etwas anderes als Liebesgeschichten zu schreiben. Das liegt daran, dass ich fast schon vollständig dem Klischee einer Schriftstellerin mittleren Alters entspreche: Ich bin übergewichtig, schreibe Liebesgeschichten und rede Yogapolster und Sofakissen mit freundlichen Kosenamen an. Weil das Liebesleben meiner Figuren so reich und…
Kategorie: LITERATURBLOG
Der Rhythmus der Großstadt (17)
Ich war ein junges Mädchen von achtzehn Jahren und gerade nach Berlin gezogen. Ein Traum war für mich in Erfüllung gegangen und doch fühlte ich mich häufig ganz ohne Grund unwohl in meiner Haut. Ich war auf der guten alten Suche nach mir selbst und häutete mich offenbar. Leider war ich dabei oft einsam. Mit…
Die künstlerische Offenbarung (16)
Meine musikalische Entwicklung verlief ein wenig, als ob ich mit der Dampflock durch’s späte 20. Jahrhundert getuckert wäre. Ich lernte die Beatles erst mit sechzehn kennen durch einen ungarischen Vikar, der sie mir mit Gitarrenbegleitung vorsang. Ich mochte bis dahin keine Rockmusik, denn ich hatte das Gefühl, das Schlagzeug zerschlägt den Gesang. Dass mir das…
Mit Herz und Seele schreiben (15)
Ich fühle mich oft verpflichtet, die Publikationen von Schriftsteller*innen zu lesen, mit denen ich mehr oder weniger gut bekannt bin. Dabei kommt es nicht selten vor, dass es mich schon nach wenigen Seiten so sehr fröstelt, dass ich nicht zu ende lesen kann. Ich habe dann das Gefühl: diesem Text fehlt die Seele. Einige Etymologen…
Über das Besondere schreiben (14)
Als meine Schwester und ich klein waren, reisten wir mit unseren Eltern im Sommer häufig nach Südmähren und verbrachten dort zwei Wochen bei der Familie Borakovi (Namen geändert) auf einem Bauernhof. Die Borakovis hatten zwei Mädchen, die etwas älter waren, als wir. Leider konnten wir uns nur durch Gesten mit ihnen verständigen. Meine Eltern hatten…
Der Zirkus kommt (13)
In unserer Gegend hängen Zirkusplakate: ein junger Mann mit Musketierbart steht auf zwei weißen Pferden. Eine Frau im Paillettenkostüm und hautfarbenen Netzstrumpfhosen sitzt auf seiner Schulter, ihre Beine sind parallel zu Seite gestreckt. Der junge Mann lächelt schief. Etwas hakt mich fest an diesem Foto. Es ist das schiefe Lächeln und dass ich die Frau…
Neulich saß ich in der U-Bahn und vier Leute setzten sich auf die Bank mir gegenüber. Das war ein richtiger Glückstreffer, denn da saßen: ein dunkel gelockter Jungspund mit seiner Mutter. Beide beugten sich in seltsamer Verschwörung über des jungen Mannes Handy, riefen Videos auf, um sich darüber in lauter Herzlichkeit kaputtzulachen. Dazu setzte sich…
Maria durch ein Dornwald ging (11)
Manchmal möchte ich meinen, Weihnachten und Ostern sollten vertauscht werden. Im Frühling sprießt und beginnt alles, das wäre ein guter Zeitpunkt für die Geburt des Jesusbabys. Im tiefsten Winter zur Wintersonnenwende würde ich erwarten, dass Jesus gestorben wäre. Doch Jesus ist im Frühjahr gestorben und am Ostermorgen auch gleich wieder auferstanden und deshalb macht dann…
Kunst und Schmerz (10)
Kunst kommt nicht von Können, sondern von Krankheit. Das ist eine Erkenntnis, die mich vor einigen Jahren befallen hat. Künstler*innen können durch die Beschäftigung mit ihrer eigenen Leidenserfahrung ihrem Werk mehr Tiefe verleihen und ihre Leser*innen im Innern berühren. Die künstlerische Arbeit ist oft der Versuch, mit sich selber in Harmonie zu kommen und somit…